Tierrechte, Kant und Trump

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Zur notwendigen Weiterentwicklung des Tierrechtsbegriffs

Helmut F. Kaplan

Was sind Tierrechte, was soll man sich unter Tierrechten vernünftigerweise vorstellen? Einer interessierten Öffentlichkeit stellte sich diese Frage vermutlich erstmals, als im Kielwasser des Buches „Zoopolis“ plötzlich ein „kantischer Tierrechtsbegriff“ durch die Medien geisterte: Tiere seien Zwecke an sich, dürften nie als Mittel zum Zweck betrachtet und behandelt werden. Viel mehr war über diesen ominösen kantischen Tierrechtsbegriff kaum in Erfahrung zu bringen.

Und wer auch nur kurz nachdachte, erkannte, daß ein solcher Rechtsbegriff auch für Menschen nicht funktioniert: Jeder, der einen Handwerker engagiert, betrachtet diesen als Mittel zum Zweck: zum Zweck, daß er etwas repariert oder installiert. Und jeder Angestellte muß erkennen, selber Mittel zum Zweck zu sein – für seinen Arbeitgeber, um irgendetwas zu erledigen.

Tierrechte auf kantischer Basis – geht das überhaupt? Bei Kant nach Grundlagen für Tierrechte zu suchen, ist etwa so, wie bei Donald Trump oder der AfD nach Grundlagen für Menschenrechte zu suchen: eine mühselige Angelegenheit mit vermutlich miserablem Ergebnis. Das beginnt schon damit, daß sich Kant selbst ausdrücklich gegen eigenständige Ansprüche von Tieren ausgesprochen hat. Nach ihm können wir nur Verpflichtungen in bezug auf Tiere haben – so wie wir auch in bezug auf Möbel oder Maschinen Verpflichtungen haben können. Dann nämlich, wenn diese für andere Menschen wertvoll bzw. von Interesse sind. Die direkten Verpflichtungen bestehen nur gegenüber diesen Menschen.

In meinem Buch „Tierrechte: Wider den Speziesismus“ zeige ich nicht nur, warum Tierrechte auf kantischer Basis keine so gute Idee sind. Anhand der Theorien von Peter Singer, Tom Regan, Gary L. Francione sowie Sue Donaldson und Will Kymlicka („Zoopolis“) suche ich systematisch nach möglichen Schwachpunkten von Tierrechtsansätzen. Zwei solche möglichen „Systemfehler“ sind etwa die „moralische Flatrate“ und der Utilitarismus:

Wenn man, wie etwa Francione, nur ein moralisch relevantes Merkmal bzw. Kriterium hat (Empfindungsfähigkeit bzw. Eigentum), stehen einem keine Vorrangregeln bzw. Ansätze zum Konfliktlösen zur Verfügung. Dieses methodische Manko bezeichne ich als „moralische Flatrate“. Die führt in der Praxis ununterbrochen zu ausweglosen Situationen oder absurden Konsequenzen. Negatives Musterbeispiel: Albert Schweitzers Forderung nach „Ehrfurcht vor dem Leben“: Wenn man vor allem Leben (bei Schweitzer inklusive Pflanzen!) die gleiche Ehrfurcht haben soll, weiß man kaum je, wie man handeln soll – weil man praktisch immer zwischen verschiedenen „Lebensverletzungen“ wählen muß.

Beim Utilitarismus geht es um die Maximierung der Interessen aller Betroffenen. Im Zusammenhang mit Tierrechten führen utilitaristische Erwägungen leicht zu speziesistischen Konsequenzen. So ist es etwa möglich, daß die Summe des Vergnügens, das Tausende von Zuschauern eines Stierkampfes haben, größer ist als das Leiden eines einzigen Stieres. Und die Summe des Vergnügens, das viele Besucher eines Bierzeltes beim Verzehr eines Ochsen am Spieß haben, könnte größer sein als das Leid, das diesem Tier hierfür zugefügt wurde. Eine besonders destruktive Rolle spielt der Utilitarismus in Peter Singers Philosophie. Mit dem Utilitarismus ruiniert Singer förmlich sein Gleichheitsprinzip. Insbesondere bei den Themen Tierversuche (Singers Tierrechts-intern größter „Baustelle“) und Euthanasie zieht Singers Utilitarismus eine Spur der Verwüstung nach sich.

Mit „Flatrate“, Utilitarismus und anderen „Systemfehlern“ sollten Tierrechtsbegriffe nach Möglichkeit nicht behaftet sein. Ein nachvollziehbarer und praktikabler Tierrechtsbegriff ist dieser: Tiere haben das Recht, daß ihre Interessen gleich berücksichtigt werden wie vergleichbare menschliche Interessen. Im Buch wird dargestellt, daß und warum dieser basale Tierrechtsbegriff theoretisch stimmig und praktisch sinnvoll ist.

Helmut F. Kaplan: Tierrechte: Wider den Speziesismus. 2016.