Entscheidung

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Entscheidung

Helmut F. Kaplan

Jeder von uns hat Erfahrungen oder zumindest Vorstellungen in bezug auf bestimmte unangenehme Lebenssituationen. Zum Beispiel:

Gefangenschaft: Wir können uns ganz gut vorstellen, wie es ist, für, sagen wir, einen Monat oder auch ein Jahr eingesperrt zu sein – ohne Möglichkeit, unser Gefängnis zu verlassen, vielleicht sogar mit Blick auf die unerreichbare Freiheit draußen.

Einsamkeit: Wir alle wissen, was es heißt, für einige Zeit von unseren Lieben getrennt zu sein: von unserem Partner, von unseren Kindern oder, am schmerzlichsten wohl: als Kinder von unseren Eltern.

Frustration: Wir kennen das höchst unangenhme Gefühl, das sich einstellt, wenn starke Bedürfnisse über längere Zeit unbefriedigt bleiben. Etwa der Wunsch nach Zärtlichkeit oder Liebe. Und wir können uns wenigstens vorstellen, wie schlimm das Gegenteil ist: vergewaltigt zu werden. Die Qualen, die länger andauernder Hunger oder Durst bedeuten, kennen wir vielleicht nicht unbedingt aus eigener Erfahrung. Aber die Folgen des Gegenteils: essen zu müssen, wenn wir schon längst satt sind, können wir uns sehr wohl vorstellen.

Langeweile: Wir alle haben Erinnerungen an Zeiten, in denen wir uns „zu Tode“ gelangweilt haben – zum Beispiel in unserer Kindheit gegen Ende der Ferien.

Schrecken: Dank Alpträumen und Horrorfilmen können wir uns einen Begriff davon machen, wie es ist, von jemandem verfolgt zu werden, von dem wir genau wissen, daß er uns töten will.

Schmerzen: Zahnarztbesuche haben viele von uns um die Erfahrung kurzer, aber heftiger Schmerzen reicher gemacht.

Wenn wir nun diese Leiden kombinieren, in bezug auf Dauer und Intensität vervielfachen und uns vorstellen, daß ein Leben aus nichts anderem besteht, dann bekommen wir langsam einen Begriff vom Leben, zu dem „Versuchstiere“, „Pelztiere“, „Fleischtiere“ usw. verdammt sind. Dann dämmert uns, welch schauerliches Alptraumdasein jene hilflosen Wesen fristen, die wir für unsere Zwecke milliardenfach gefangenhalten, foltern und umbringen. Dann beginnen wir die Hölle zu erahnen, in der sich diese Tiere vom ersten Atemzug bis zum letzten Angstschrei befinden. Und dann müssen wir entscheiden, ob wir weiter an diesen Verbrechen beteiligt sein wollen.