Gemeinsam für die Tiere!
Helmut F. Kaplan
Vorbemerkung: Bei dem alten Text, den ich im folgenden wiedergebe, handelt es sich um ein Plädoyer für eine konstruktive, effiziente Tierrechtsarbeit. Die Ausführungen sind insofern obsolet, als es die Adressaten der Appelle heute kaum mehr gibt – zu sehr hat sich die Tierrechtsbewegung inzwischen zu ihrem und der Tiere Nachteil verändert. Andererseits ist der Text insofern „zeitlos“, als er mögliche Strategien, Gefahren und Chancen der Tierrechtsarbeit aufzeigt:
Zu den gefährlichsten Feinden der Tiere gehören die Tierfreunde. Dabei meine ich keineswegs nur die sprichwörtlichen Mütterchen oder Taubenfütterer, sondern alle, die sich irgendwie für Tiere engagieren: Tierschützer, Tierrechtler, Tierbefreier, Autonome, Vegetarier, Veganer und wie sie alle heißen.
Dabei ist die Vereinsmeierei noch die harmloseste Form tierfeindlicher Tierfreundlichkeit: Wo zwei Tierfreunde sich treffen, ist mindestens einer Präsident, Vorsitzender, Obmann oder sonst was Wichtiges. Viel schädlicher ist schon die Beschuldigung, daß der andere den Tieren in Wirklichkeit mehr schadet als nützt. Am schlimmsten aber ist der allgegenwärtige Vorwurf, daß es dem anderen letztlich gar nicht um die Tiere, sondern lediglich um eine möglichst glorreiche Selbstdarstellung ginge.
So sehr der Vorwurf profilneurotischer Beweggründe in bedauerlichen Einzelfällen auch zutreffen mag – in der Regel ist er unberechtigt. Deshalb ist dies der ideale Ansatzpunkt für die Überwindung unnötiger Rivalitäten: Gestehen wir uns doch wenigstens zu, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln!
Dies sollte umso leichter fallen, wenn wir erkennen, daß die Vielfalt der Vereine auch einen Vorteil hat: das Ansprechen von Menschen, die bei einer einheitlichen Bewegung vielleicht nicht erreicht würden. Unterschiedliche Menschen fühlen sich nun einmal in unterschiedlicher Umgebung wohl. Nur durch viele Vereine kann das Veränderungspotential vieler Menschen gebunden und kanalisiert werden.
Hinzu kommt, daß die gegenseitige Akzeptierung und Respektierung keinem Verein Mitglieder oder Anhänger kostet. Erstens kann man ohnehin niemanden mit vorgehaltener Pistole zwingen mitzumachen. Zweitens ändert sich nichts an der vorhandenen Durchlässigkeit ideologischer Grenzen: „Gemäßigte“ werden zu „Radikalen“, „Fundis“ verwandeln sich in „Realos“ usw. Und schließlich kann sich jede Gruppierung auch in Zukunft für die Ziele engagieren, die sie für besonders wichtig hält.
Aber wir müssen endlich erkennen, daß die Vielschichtigkeit der Pro-Tier-Bewegung eine strategische Notwendigkeit darstellt. Wir befinden uns in bezug auf Tiere an einem historischen Wendepunkt. Das jetzige Stadium gleicht der Situation, als immer mehr Menschen erkannten, daß die Sklaverei abgeschafft werden muß.
Solche Umbruchzeiten sind durch eine gesellschaftliche Gespaltenheit gekenzeichnet: Vorhandene gesetzliche Bestimmungen hinken neuen moralischen Ansprüchen hinterher. Die Gespaltenheit der Pro-Tier-Bewegung widerspiegelt die Gespaltenheit der Gesellschaft in bezug auf Tiere. Und solange die Gesellschaft gespalten ist, muß auch unsere Bewegung gespalten sein:
Es ist notwendig, daß es Menschen gibt, die Tiere aus Käfigen befreien, die gegenwärtige Gesetze noch nicht verbieten. Es ist notwendig, daß es Menschen gibt, die mit Politikern am Tisch sitzen, die diese Gesetze ändern können. Und es ist notwendig, daß es Menschen gibt, die mit professionellem Marketing für die Befreiung der Tiere werben. Die Vielgestaltigkeit der Pro-Tier-Bewegung ist die einzige Möglichkeit, um eine Brücke zu schlagen zwischen gesellschaftlich Möglichem und moralisch Notwendigem!
Ideal wäre natürlich, wenn wir zwar nach außen weiterhin getrennt agieren, aber uns intern miteinander abstimmen würden. Aber das wird aus praktischen und psychologischen Gründen so rasch wohl nicht gelingen. Was aber gelingen kann und im Interesse der Tiere gelingen muß, ist, daß wir uns gegenseitig respektieren und nicht in unserer Arbeit behindern.
Wir können auch weiterhin am eigenen Strang ziehen. Je besser wir uns darauf konzentrieren, desto früher können wir gemeinsam an einem Strang ziehen.