Kochende Küchen-Clowns
Helmut F. Kaplan
Ein alter Text, der leider nichts an Aktualität eingebüßt hat:
Wenn man heute den Fernseher einschaltet, kommt man ja nicht umhin, gleich auf mehrere Kochsendungen zu stoßen. Die Leute kochen, als wären sie alle akut vom Hungertod bedroht. Interessant ist, daß praktisch nur mehr Männer kochen. Das muß für die irgendwie wahnsinnig wichtig sein. Die müssen irgendetwas beweisen wollen. Vielleicht, daß sie total cool und souverän sind („die Zeit nehme ich mir einfach“) oder daß sie im Einklang mit der Natur leben („Kreislaufdenken“; „wir kochen, was die Natur uns schenkt“) oder daß sie bis in die Haarspitzen (oder zumindest bis zur Glatze) gebildet und kultiviert sind („jede Region hat ihre eigene Kultur und ihre eigenen Gerichte“).
Wie auch immer: Nach den Tausenden von Kochsendungen, auf die ich mittlerweile unfreiwillig gestoßen und vor denen ich verzweifelt wieder geflohen bin, ist mir eines klar geworden: Die Sache hat einen ernsten Hintergrund. Gekocht werden ja praktisch ausnahmslos Leichen oder Leichenteile. Was diese kochenden Waschlappen da pausenlos präsentieren, ist nichts anderes als eine fulminante Symbolisierung der menschlichen Unmoral: Äußerlich sauber und adrett zurechtgemacht, bearbeiten sie mit blutigen Händen die Leichen von Folter- und Mordopfern.
So sind die Menschen! Brave Bürger heucheln (etwa im Konzert und Theater) kulturelles Interesse, um gleich anschließend (im Restaurant) über Leichen herzufallen. Biedere Politiker halten friedfertige Reden, um unmittelbar danach Folterungen zu befehlen und Todesurteile zu unterschreiben. Für diese und tausend andere typisch menschliche Verlogenheiten sind die kochenden Küchen-Clowns eine perfekte Veranschaulichung!