Mörder oder Mitläufer
Helmut F. Kaplan
Editorische Vorbemerkung: In dieser Diktion („Mörder“, „Mitläufer“ usw.) würde ich den folgenden Text heute vermutlich nicht mehr schreiben; vielleicht, weil ich älter oder vorsichtiger bin oder weil sich die Zeiten geändert haben. Allerdings ist das möglicherweise auch Teil des aktuellen (tierrechts)politischen Problems: keine revolutionäre Rhetorik mehr, kein Klartext mehr. HFK, April 2018
Die überall herumstehenden Jägerhochsitze sind eine ständige Erinnerung an die Allgegenwärtigkeit des Mörders im Menschen. Wie kaum sonstwo werden die üblichen Ausreden, die angeblich unseren Umgang mit Tieren rechtfertigen, Lügen gestraft – Kampf ums Überleben, Messen der Kräfte, Sieg des Stärkeren: Hier geht es um keinerlei Kampf oder Kräftemessen, sondern um pure Mordlust. Der menschliche Mörder setzt sich mit modernem Tötungsinstrument in die friedliche Natur, wartet auf ahnungslose Opfer, um sie dann gefahrlos und feige aus dem Hinterhalt abzuknallen. Tiefer kann ein Mensch nicht sinken.
Man muß sich das immer wieder drastisch vor Augen führen, denn diese kaltblütige, hinterhältige Bösartigkeit sprengt leicht unsere Vorstellungskraft. Aber wir sollten wissen, mit welcher Sorte Mensch wir es zu tun haben, wenn wir mit einem Jäger sprechen.
An dieser Stelle wird oft eingewendet: Ein Fleischesser, der andere Menschen die Tiere für sich töten läßt, ist moralisch gesehen doch um nichts besser als so ein Jäger. Ich bin im Hinblick auf diese Frage noch zu keinem abschließenden Ergebnis gelangt, möchte aber auf zwei Punkte hinweisen:
Unter den Fleischessern, die das blutige Handwerk anderen überlassen, befinden sich betimmt viele – ich wage keine prozentuale Schätzung -, die vor dem feigen Morden zurückschrecken würden, wenn sie es selber erledigen müßten. Genau dies ist bei den mordgierigen Jägern erwiesenermaßen ja nicht der Fall.
Bei den Verbrechen der Nationalsozialisten und anderer Staatsterroristen gab es immer Millionen Mitläufer, die diese Verbrechen duldeten (und dadurch auch unterstützten) und viel weniger unmittelbare Täter. Das Heer der Mitläufer ließ man später laufen, die unmittelbaren Täter wurden oft bestraft.
Wie gesagt, ich weiß nicht, was moralisch verwerflicher ist: Mörder oder Mitläufer. Was ich aber weiß, ist: Beim Umgang mit Tieren ist es heute absolut kein Problem, weder Mörder noch Mitläufer zu sein!