Systematische Verlogenheit
„Jedermann“ Peter Simonischek als idealer Repräsentant der Salzburger Festspiele
Helmut F. Kaplan
In einer begeisterten Besprechung eines Hörbuches zu Adalbert Stifters „Waldgänger“ heißt es in der „Zeit“ (9, 2008, S. 48) über den Sprecher, daß er
„die Novelle mit weicher, mild dialektaler Stimme (liest), so innerlich und einfach, dass dezenteste Tempo- und Rhythmusänderungen hinreichen, um eine unendliche Vielfalt an Stimmungen zu erzeugen. Alle freilich über einem Grundton: einer … dunklen Schwermut …. Über dem schwarzen Grund aber wölben sich Stifters kristallklare Sätze, als wäre in ihnen ein Trost aufgehoben. Und dann genügt das Mondlicht, ein weicher, wolkenloser Himmel, eine Amsel, ‚und alles war, als wenn gar nichts geschehen wäre‘.“
So weit, so schön. Was mich aufwühlt: Beim hochgelobten Sprecher handelt es sich um „Jedermann“ Peter Simonischek, den Stierkampf-Gaffer, Freizeit-Angler und Alles-Esser, der bedenkenlos über Leichen geht, um seinen Gaumen zu kitzeln („Ich esse alles, was schmeckt“).
Gewiß: Zwischen Kunst und Moral muß man unterscheiden. Es kann jemand gleichzeitig ein großer Künstler und ein mieser Mensch sein. Gemälde, Gedichte und Sinfonien verlieren nicht an Qualität, weil ihr Schöpfer ein moralisch minderwertiger Mensch ist.
Aber: Wenn der Künstler, unterschwellig einen Qualitätstransfer zwischen seiner Kunst und seiner Person suggerierend, für sich moralische Integrität beansprucht, wird es schon ärgerlich. Und: Ab einem gewissen Mißverhältnis zwischen der Qualität der Kunst und der Moral des Künstlers wird es schlicht psychologisch unerträglich.
Gäbe es beispielsweise Hörbücher mit Hitler – es fiele schwer, sie zu genießen. Oder solche mit dem Inzestverbrecher von Amstetten, der Liebeslyrik liest oder Gute-Nacht-Geschichten für kleine Kinder. Kunst hin, Moral her – es wäre zum Kotzen! Und nicht anders ergeht es mir mit Simonischek, der morgens zur Entspannung Fische zu Tode quält, um abends romantische Naturbeschreibungen vorzutragen.