Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist (Victor Hugo)
Helmut F. Kaplan
Nun ist die Zeit für Tierrechte gekommen. Denn Tierrechte sind die logische und notwendige Folge aller Fakten und Forderungen, auf denen eine aufgeklärte, humane und gerechte Gesellschaft beruht. Acht Beispiele:
Ernährung: Die Tiere, deren Fleisch wir essen, benötigen 90 Prozent des Futters, das wir ihnen geben, zur Aufrechterhaltung ihres eigenen Stoffwechsels. Mit anderen Worten: Wenn wir selber pflanzliche Nahrungsmittel essen würden, anstatt diese Nahrungsmittel an Tiere zu verfüttern, um dann deren Fleisch zu essen, könnten wir bei gleichen Ressourcen zehnmal so viele Menschen ernähren.
Umwelt: Diese Ineffizienz der Nahrungsmittelproduktion auf tierlicher Basis führt dazu, daß aus den Böden das Letzte herausgeholt wird – mit massivem Chemieeinsatz in Form von Kunstdüngern und Pflanzenschutzmitteln. Viele Tiere bedeuten viele Exkremente, also Riesenmengen an Gülle, die die Umwelt verseucht. Die Gewinnung von Land für die Rinderzucht ist eine der Hauptursachen für die Zerstörung des tropischen Regenwaldes. Und die Regenwaldzerstörung führt zu Flut- und Dürrekatastrophen und forciert den Treibhauseffekt.
Gesundheit: Viele Studien, belegen die gesundheitliche Überlegenheit einer pflanzlichen Ernährung. Tierliche Nahrungsmittel begünstigen unter anderem Herzerkrankungen, Schlaganfall, Krebs, Diabetes und Arthritis. Bei pflanzlicher Ernährung könnten 80 bis 90 Prozent aller Krebs- und Kreislauferkrankungen vermieden werden, zumindest bis ins hohe Alter.
Evolution: Die selbstgefälligen und infantilen Mythen über den herausragenden und abgehobenen Status des Menschen (er sei die „Krone der Schöpfung“, die Tiere wären für ihn geschaffen worden usw.) verlieren immer mehr an Bedeutung. Dies ist die notwendige Folge der zunehmenden Registrierung und Akzeptierung dessen, was Darwin bereits vor 150 Jahren erkannte: Es gibt EINE Evolution ALLEN Lebens und keine quasi extraterrestrischen Wesen, die von außen oder oben oder sonstwo auf wundersame Weise zum übrigen Leben dazugestoßen wären.
Ähnlichkeit: In der Praxis bzw. wenn es um unseren Vorteil geht, akzeptieren wir diese aus der gemeinsamen Evolution resultierenden Ähnlichkeiten ja auch. Stichwort: Tiere als Ersatzteillager für menschliche Organe.
Empathie: Das gilt auch auf psychischer Ebene. Stichwort: Tiertherapien. Die therapeutische Wirkung von Tieren wird heute etwa in Krankenhäusern, Erziehungsheimen und Gefängnissen gezielt eingesetzt. Denn der Umgang mit Tieren macht Menschen nachweislich ausgeglichener, stabiler und widerstandsfähiger. Mittlerweile gibt es für bestimmte Krankheitsbilder spezielle tiertherapeutische Ansätze, zum Beispiel mit Delphinen. All dies funktioniert nicht, weil Menschen und Tiere völlig verschieden sind, sondern weil es zwischen Menschen und Tieren eine evolutionäre Kontinuität mit daraus resultierender wechselseitiger Empathie und reichhaltiger Kommunikation gibt.
Ethik: Auch die moralische Kluft, die herkömmlicherweise zwischen Menschen und Tieren behauptet wird, hält empirischer und rationaler Betrachtung nicht stand. Egal, an welches Merkmal wir den moralischen Wert von Wesen auch heften: Nicht NUR Menschen besitzen es (bzw. einen bestimmten Ausprägungsgrad desselben) und nicht ALLE Menschen besitzen es. Zum Beispiel Autonomie, Rationalität und Selbstbewußtsein. Vielmehr gibt es immer Menschen (z. B. Senile, geistig Behinderte und kleine Kinder), bei denen das betreffende Merkmal sogar deutlich SCHWÄCHER ausgeprägt ist als bei vielen Tieren (etwa bei Hunden, Katzen, Rindern oder Schweinen).
Frieden: Deshalb akzeptiert die menschliche Psyche die suggerierte moralische Kluft zwischen Menschen und Tieren letztlich auch nicht: Wer Tiere quält und umbringt, tendiert auch dazu, Menschen zu quälen und umzubringen. Bei Jugendlichen, die wegen Tiermißbrauch verurteilt wurden, ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie auch gegenüber Menschen Gewalt ausüben, fünfmal höher. Und fast alle Serienmörder haben Tiere gequält, bevor sie Menschen umbrachten. Wer die Gewalt gegenüber Menschen bekämpfen will, muß auch die Gewalt gegenüber Tieren bekämpfen. Leo Tolstoi drückte dies so aus: Solange es Schlachthäuser gibt, wird es auch Schlachtfelder geben.