Befreiung, Ethik und Egoismus
Helmut F. Kaplan
Menschen können für ihre Freiheit kämpfen, Tiere nicht. Das ist der große Unterschied zwischen allen Befreiungsbewegungen in bezug auf Menschen und der Befreiung der Tiere. So bedeutsam dieser Unterschied schon auf den ersten Blick ist – in Wirklichkeit ist er noch wichtiger und wesentlicher: Weil Menschen selbst um ihre Freiheit kämpfen können, sind bei menschlichen Befreiungsbewegungen immer auch gewaltige egoistische Impulse am Werk: alle Energien derer, die ihre eigene Befreiung naturgemäß nach Kräften fördern – wobei „egoistisch“ bzw. „Egoismus“ hier, weil völlig legitim, nicht abwertend, sondern einfach im Sinne von „für sich selbst eintretend“ zu verstehen sind.
Nichtsdestotrotz: Wenn Menschen für die Befreiung von Tieren kämpfen, fehlt diese „egoistische“ Komponente, weil Tiere, wie gesagt, eben unfähig sind, ihre eigene Befreiung zu befördern.
Bei der Befreiung der Tiere sind wir also ausschließlich auf menschliche Selbstlosigkeit angewiesen. Das stimmt nicht gerade hoffnungsvoll. Andererseits beziehen auch alle Befreiungsbewegungen in bezug auf Menschen ihre moralische Kraft und ihren revolutionären Elan aus dem Idealismus derer, die sich um der Gerechtigkeit willen für andere einsetzen. Die Befreiung der Tiere erfordert aber nicht weniger als quasi die Reinkultur dieses selbstlosen Freiheits- und Befreiungsimpulses. Denn hier sind wir, wie gesagt, ausschließlich auf diejenigen angewiesen, die sich für andere engagieren.
Deshalb wäre die Befreiung der Tiere aus menschlicher Tyrannei der denkbar stärkste und überzeugendste Beweis für menschliche Selbstlosigkeit, Gerechtigkeit und Moralität – und als solcher auch eine immense Ermutigung für die moralische Bewältigung der menschlichen Zukunft.