Künstler und Tierrechte
Helmut F. Kaplan
Neulich habe ich im Fernsehen einen Bericht über den Startenor Fritz Wunderlich gesehen. Ich habe mich geärgert und gewundert. Geärgert, weil Wunderlich ein „passionierter“ Jäger war, gewundert, daß ein so großer Künstler ein so schlechter Mensch sein kann. Und dann habe ich mich noch einmal geärgert – über mich selbst, über meine Verwunderung. Denn diese Grundsatzfrage „Wie können große Künstler schäbige Tiermörder sein?“ hatte ich schon einmal abgehandelt – weswegen meine aktuelle Verwunderung völlig unangebracht war.
Da ich davon ausgehe, daß sich auch andere mitunter diese Frage stellen, möchte ich hier noch einmal meine seinerzeitigen Überlegungen darstellen. Sie weichen insofern vom Anlaßfall Wunderlich ab, als Wunderlich noch in der Vor-Tierrechts-Periode lebte und es im besagten Bericht um das Jagen und nicht um das Fleischessen ging. Aber die Grundfrage ist, wie gesagt, die gleiche.
Die Entschuldigung, die man zugunsten von Fleischessern bis vor wenigen Jahrzehnten vorbringen konnte, gilt heute nicht mehr: den Menschen sei halt einfach nicht richtig bewußt, was sie da essen und was sie damit bewirken. Wer heute wissen will, weiß, was hinter Schlachthofmauern passiert und wer dafür verantwortlich ist: er selbst.
Man könnte es sich nun einfach machen und sagen: Entweder jemand ist Künstler oder Mörder. Nur: Dann blieben kaum noch Künstler übrig. Also muß man sich wohl zur Erkenntnis durchringen, daß viele Menschen Künstler UND Mörder sind, daß Kunst und Moral schlicht wenig miteinander zu tun haben.
Das ist nun zwar keine umwerfende Erkenntnis, aber unsere Reaktion darauf zeigt immerhin, wie verworren unsere diesbezüglichen Gedanken und Gefühle nach wie vor sind. In unseren Köpfen spukt noch immer die Vorstellung vom Wahren, Guten und Schönen herum. Die Wahrheit aber ist: Auch schlechte Menschen können Wahres erkennen und Schönes schaffen.
Ärgerlich ist es meist allerdings dennoch, wenn sich Künstler als moralisch minderwertige Menschen erweisen. Dann nämlich, WENN SIE SELBST EINEN MORALISCHEN ANSPRUCH ERHEBEN. Wer gewohnheitsmäßig an der Folter und Ermordung von fühlenden Wesen beteiligt ist, kann nämlich keinem moralischen Anspruch gerecht werden. Ethik ist unteilbar. Man kann nicht einerseits etwa Menschenrechte fordern und andererseits Tierrechte mit Füßen treten.