Tierrechte und Utilitarismus
Helmut F. Kaplan
Peter Singer hat in einem Brief an den „Observer“ ausgeführt, daß er falsch interpretiert worden sei und er tatsächlich Tierversuche nach wie vor generell ablehne. Diese deutliche Klarstellung ist in höchstem Maße erfreulich – und wichtig, denn: Alles andere hätte einen Tierrechts-GAU bedeutet.
Bezeichnend ist, daß Singer in dieser Entgegnung primär mit dem Gleichheitsprinzip argumentiert, während er im Interview „Father of animal activism backs monkey testing“ („Times Online“ vom 26. 11. 2006) utilitaristisch argumentiert hatte. Dies stützt einmal mehr meine These (und meine Kritik an Singer), daß beide ethischen Ansätze, Gleichheitsprinzip und Utilitarismus, nicht, wie Singer nahelegt, quasi zwei Seiten einer Medaille sind, sondern vielmehr oft zu GEGENTEILIGEN Konsequenzen führen!
Ich möchte diesen Vorfall zum Anlaß nehmen, noch einmal generell auf die „Gefährlichkeit“ des utilitaristischen Ansatzes für Tierrechte hinzuweisen: Vor utilitaristischem Hintergrund wackelt auch die moralische Forderung nach einer veganen oder vegetarischen Ernährung ganz erheblich (worauf Tom Regan bereits vor Jahrzehnten hingewiesen hatte)! Rein utilitaristisch gesehen und gedacht rücken weite Teile der Fleischproduktion tendenziell in den ethisch grünen Bereich:
Man nehme etwa große Tiere (wenige Lebewesen, viel Fleisch), möglichst humane Zucht- und Schlachtmethoden (wenig Leiden), ausgesprochene „Fleischtiger“ (viel Freude beim Essen) – fertig ist die utilitaristisch sanktionierte Leichenfresserei!
Auch der Stierkampf rückt wieder in den Bereich des moralisch Möglichen: Der Spaß, den TAUSENDE Menschen beim Quälen EINES Stieres haben, könnte dessen Leiden durchaus überwiegen. Der Utilitarismus ist ein theoretisch höchst fruchtbarer Ansatz, der aber praktisch oft verheerende Folgen hat.