Kochen bis das Hirn verdampft
Helmut F. Kaplan
Die TV-Kochmanie, die vor Jahren ausgebrochen ist und ihren Höhepunkt offenkundig noch immer nicht erreicht hat, wäre an sich ja nicht der Rede wert. Schließlich besteht das ganze Fernsehprogramm zum Großteil aus Schwachsinn. Was diese Sendungen so besonders ärgerlich macht, ist, daß hier praktisch ausnahmslos Tierleichen gekocht werden – und damit Werbung für Tiermord gemacht wird. Es handelt sich also nicht nur um Schwachsinn, sondern um Schwachsinn auf Kosten leidensfähiger Wesen.
Eine Zumutung ist auch die pervers-primitive und volksverdummende Weltsicht, die hier vermittelt wird: Es wird geradezu suggeriert, daß alle Probleme der Welt gelöst wären, wenn die Menschen nur lange genug in der Küche stünden! Hört man diesen Kochpropheten zu, muß man zum Schluß kommen: Alles wird wieder gut, wenn die Leute nur ununterbrochen Essen einkaufen (am besten gleich nach Mitternacht, wo die Auswahl noch groß und die Ware noch frisch ist!), stundenlang kochen und dann tagelang essen.
Ja, gibt es denn wirklich keine sinnvolleren Beschäftigungen? Sollten die Menschen nicht vielleicht einmal ein Buch zur Hand nehmen oder ins Museum gehen oder selber etwas Kreatives schaffen, und zwar auch Dinge, die man ausnahmsweise nicht essen kann?
Man getraut es sich ja kaum mehr zu fragen: Gehört es nicht zur Aufgabe des Menschen, sich dahin zu entwickeln, NICHT seine ganze Zeit mit Sammeln, Kochen und Essen zuzubringen? In der Steinzeit mußten wir vielleicht wirklich alle Zeit und Energie darauf verwenden, genügend Eßbares herbeizuschaffen. Aber ist das ein wünschenswerter Zustand? Aus Sicht der gut gelaunten Hardcore-Köche offenbar schon!
Da lobe ich mir doch jeden, der das billigste, schäbigste und ungesündeste Essen hastig in sich hineinstopft, dafür aber auch noch Zeit, Interesse und Energie für nicht eßbare Dinge hat. Ja, selbst übergewichtige, grenzdebile Fastfood-Junkies sind mir tausendmal sympathischer als diese pseudokultivierten, tratschsüchtigen Dauerkocher. Erstens sind sie ehrlicher und zweitens richten sie weniger Schaden an.