Planet des Leidens
Helmut F. Kaplan
Wer auf einen besonders barbarischen Umgang mit Menschen verweisen will, sagt oft, diese seien „wie Tiere“ behandelt worden. Ein Beispiel: Susanne Osthoff berichtet in der TV-Sendung „Beckmann“ von ihrer Geiselhaft im Irak, wo sie zum Teil „wie ein Tier“ behandelt worden sei (und sich auch entsprechend gefühlt habe).
Den Benützern dieses Vergleichs ist vermutlich nicht bewußt, daß es sich hier um ein zweischneidiges Schwert handelt: Wenn Menschen so grausam wie Tiere behandelt werden, dann werden Tiere so grausam wie diese Menschen behandelt!
Nimmt man hinzu, daß es zwischen Menschen und Tieren in bezug auf die Leidensfähigkeit keinen Unterschied dergestalt gibt, daß das tierliche Leiden prinzipiell weniger schlimm wäre. Und berücksichtigt man weiters, daß Tiere in Ermangelung bestimmter leidensvermindernder Strategien („Auf dem Weg in die Gaskammern Psalmen singen – das kann kein Tier. Es ist der dumpfen Angst sprachlos ausgeliefert, und seine Angst ist fast immer Todesangst“, sagt Robert Spaemann.) unter vergleichbaren Bedingungen unter Umständen sogar MEHR leiden. Dann beginnt man zu begreifen, welch endloses Leiden wir den Tieren ununterbrochen unnötig und mutwillig zufügen.
Susanne Osthoff berichtete so eindrücklich und anschaulich von ihrem Martyrium, daß man mitfühlte – und erschauderte. Wenn man diese Qualen milliardenfach multipliziert, bekommt man eine leise Ahnung vom bebenden Leiden, das unseren Planeten augenblicklich erfüllt.