Roh oder reif?
Helmut F. Kaplan
Wie üblich redete Reinhold Messner im Fernsehen wieder ziemlichen Unsinn. Diesmal ging es um die angebliche Notwendigkeit, Tiere eigenhändig umbringen zu können. Dies sei bei Kaninchen, dozierte Messner, schwieriger als bei anderen Tieren, weil bei Kaninchen unsere ursprüngliche Scheu vor dem Töten größer und das Mitgefühl intensiver sei. Wie auch immer, da müsse man eben durch. Moderator (Reinhold Beckmann) und Gast (Udo jürgens) nickten verständig bzw. grinsten dreckig.
Erst nachträglich wurde mir bewußt, welch erstaunliches Phänomen in solchen Situationen zutage tritt: Es besteht zwar weitgehendes Einvernehmen darüber, daß sowohl beim Töten von Tieren (etwa durch einen Bauern) als auch beim Töten von Menschen (etwa durch einen Serienmörder) eine anfängliche Scheu überwunden, eine Grenze überschritten werden muß. Was aber beim Umbringen von Menschen als katastrophale Verrohung angesehen wird, gilt beim Umbringen von Tieren als wünschenswerte Reifung!
Eine bemerkenswerte Unterscheidung – bei der allerdings weder Ethik noch Psychologie mitspielen: Es gibt keine vernünftige Begründung für diese Differenzierung (sondern nur eine auf religiösen Dogmen beruhende). Und Serienmörder „üben“ in der Regel gerade das an Tieren, was sie später an Menschen verbrechen. Mit anderen Worten: Die übliche Unterscheidung zwischen „gesunder“ Härte gegenüber Tieren und „natürlichem“ Mitgefühl gegenüber Menschen funktioniert praktisch eben nicht, weil Härte gegenüber Tieren nahtlos in Gewalt gegenüber Menschen übergeht.