Tiere, Ethik und Egoismus
Helmut F. Kaplan
Zuweilen ist es schon fast erheiternd, auf welch bizarre Weise versucht wird, die ethische und evolutionäre Kontinuität zwischen Menschen und Tieren zu verleugnen. So wird etwa die Trauer um ein verstorbenes Tier ins Lächerliche gezogen. In einem CNN-Bericht über die zunehmende Tendenz, auch bei vergleichsweise banalen Anlässen öffentlich Tränen zu vergießen, wurden als Beispiele abgebrochene Fingernägel und verstorbene Haustiere genannt. Und in der Zeitschrift Profil wird in der Kolumne „Geschmackspolizei“ befriedigt registriert, daß im Schweizer „Tages-Anzeiger“ Tiertodesanzeigen in die Rubrik „Privatmarkt“ verbannt wurden.
Sigmund Freud hätte diesem politisch korrekten Zynismus gegenüber dem Tod von Tieren wohl wenig abgewinnen können. Über seinen Schmerz beim Ableben seines geliebten Hundes Lün Yu schrieb er: „Es ist der Qualität, wenn auch nicht der Intensität nach wie der Schmerz um ein verlorenes Kind.“
Es ist immer das gleiche traurige – und dumme! – Lied: Anstatt die Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Ethik zu erkennen und zu akzeptieren, glaubt man, seine Reife und Rationalität damit beweisen zu müssen, daß man die Ethik auf die eigene Art beschränkt – und dokumentiert damit doch nur, daß man Ethik mit Egoismus verwechselt.