Was wir von Reinhold Messner lernen können

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Was wir von Reinhold Messner lernen können

Helmut F. Kaplan

„Konrad muß sterben. Derselbe Freiheitstrieb, der ihn mit seinem Herrn verbindet, soll den schottischen Hochlandbullen mit dem langen, zottigbraunen Fell und dem mächtig geschwungenen Gehörn nun das Leben kosten. Auch wenn es bei Konrad nur die kleinen Ausflüge waren, die er so sehr liebte – von seiner hügeligen Koppel hinein in die Gärten des Südtiroler Bergdorfs Sulden.

‚Schauen Sie, Herr Messner‘, sagt die Nachbarin verärgert und deutet auf die abgekauten Triebe an ihrer Zwergkiefer und die tiefen Spuren im akkurat gemähten Rasen, die Konrad bei seinem letzten Besuch hinterlassen hatte. – ‚Nun gut‘, entscheidet der vollbärtige Mittfünfziger in der bunten Strickjacke kurzentschlossen, ‚dann wird er eben geschlachtet. Wir brauchen sowieso Nachschub für den Herd im Gasthof.‘

Ist das wirklich der berühmteste Gipfelstürmer der Welt, der sämtliche Achttausender dieser Erde bezwungen hat, die Antarktis und Grönland der Länge nach durchquerte?“

Ich bin wieder einmal – warum eigentlich noch immer? – entsetzt: Schon wieder ein Mensch, den ich eigentlich für einsichtig, vernünftig und großzügig gehalten hatte, von dem ich erfahren muß, daß er in Wirklichkeit ein genauso erbärmlicher Tierschinder und -schänder ist wie all die anderen. Aber immerhin, so tröste ich mich: Der Autor dieses Berichts über Reinhold Messner (in der Zeit vom 26. 11. 1998) hat den Widerspruch zwischen Messners angeblicher Größe und dieser kleinkarierten Entscheidung, ein Tier für sein natürliches Verhalten mit dem Tode zu bestrafen, wenigstens erkannt – schreibt er doch: „Ist das wirklich der berühmteste Gipfelstürmer der Welt, der sämtliche Achttausender dieser Erde bezwungen hat, die Antarktis und Grönland der Länge nach durchquerte?“

Aber dann lese ich weiter – und sehe, daß und vor allem wie der Satz weitergeht: „Ist das wirklich der berühmteste Gipfelstürmer der Welt …, der sich hier mit den einfachen Dingen des Alltags herumschlägt?“

Auch der Autor dieses Berichts über Messner ist also nichts anderes als ein kleiner, schäbiger Speziesist: Er wundert sich keineswegs über den Widerspruch zwischen Messners angeblicher Größe und der kleinmütigen Entscheidung, ein unschuldiges Tier für nichts und wieder nichts zu bestrafen, sondern darüber, daß sich der „große“ Messner mit so alltäglichen, banalen und selbstverständlichen Dingen wie dem Umbringen und Ausbeuten eines „lästigen“ Tieres herumschlägt. Was hat die ganze Tierrechtsarbeit für einen Sinn, wenn man nach wie vor und überall solch hirn- und herzlose Berichte lesen muß!

Mein Entsetzen paßt gut zu einer Frage, die eine Tierrechtsaktivistin kürzlich unbedingt beantwortet haben wollte: Werden wir den Durchbruch der Tierrechtsbewegung noch erleben? Hat denn der ganze Einsatz letztlich überhaupt einen Sinn?

So verständlich und persönlich drängend diese Frage auch immer sein mag, sie ist im Grunde sinn- und belanglos. Wir stellen ja auch angesichts der Verbrechen gegenüber Menschen, von denen wir täglich hören, nicht die Frage: Werden wir den endgültigen Sieg der Menschenrechte über die Barbarei noch erleben? Haben unsere Bemühungen, Leiden zu lindern, überhaupt einen Sinn, wenn Verbrechen und Elend ja doch nie aufhören?

Wer helfen will und helfen kann, der hilft einfach – unabhängig davon, ob dies letztlich „Sinn“ macht, sprich: die Menschenrechtsidee sich am Ende „wirklich“ durchsetzen wird. Wer angesichts der lähmenden Langsamkeit des Fortschritts der Tierrechtsbewegung die Sinnhaftigkeit seines Engagements bezweifelt, handelt wie jemand, der ein Kind neben sich verhungern läßt, „weil in Afrika der Hunger sowieso nie aufhören wird“.

Was wir von Reinhold Messner lernen können? Nichts. Durch ihn können wir aber sehr wohl etwas lernen: So weit man auch geht und so hoch man auch steigt – wenn man dabei sein Hirn nicht nützt und sein Herz nicht hört, nutzt es gar nichts. Man kommt als der gleiche Kleingeist zurück, als der man weggegangen ist. Messner wäre besser zuhause geblieben und hätte das getan, was jeder tun muß, der Mensch werden will: sich über das Gedanken zu machen, was vor der Haustür passiert.

Wer meine Tierrechtsarbeit unterstützen will: https://www.paypal.me/helmutkaplan

Zur Person: https://tierrechte-kaplan.de/biografie/