Aktive Solidarität – Zur Gewaltfrage in der Tierrechtsbewegung
Helmut F. Kaplan
Gewalt ist eine schwierige und wichtige Frage in der Tierrechtsbewegung. Deshalb ist hier nichts schädlicher als verschwommene Gedanken und Gefühle. Im folgenden soll ein Beitrag zu einer differenzierteren und rationaleren Diskussion geleistet werden.
Dazu bedarf es zunächst einmal der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen von Gewalt: Gewalt gegen Personen oder Gewalt gegen Sachen? Und bei Gewalt gegen Sachen: Gewalt gegen welche Sachen? Schließlich ist es ein Unterschied, ob ich einen Panzerwagen oder einen Krankenwagen zerstöre, ob ich die Ausrüstung eines Arztes oder eines Einbrechers kaputtmache!
Und: Wer die Gleisanlagen nach Auschwitz zerstört hätte, hätte auch Gewalt ausgeübt. Damit sind wir bei einem zentralen Punkt: bei Motivation und Zielsetzung von Gewalt. Niemand in der Tierrechtsbewegung wird Gewalt um der Gewalt oder Zerstörung willen anwenden. Vielmehr geht es immer und ausschließlich um die Linderung und Verhinderung von Leiden. Das kann gar nicht oft und deutlich genug gesagt werden: Es geht um die Verhinderung und Verminderung des Leidens von absolut unschuldigen Wesen.
Und um dies zu erreichen, kann Gewalt nicht nur zulässig, sondern auch geboten sein. Man denke nur an die Sklaverei: Sklavenbefreiungen erfolgten immer gegen das Gesetz und oft mit Gewalt. Oder die Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg: Wäre eine Befreiung nicht richtig gewesen – auch mit Gewalt? Besonders deutlich wird die prinzipiell mögliche moralische Legitimität von Gewalt am Beispiel Ex-Jugoslawien: Wäre die gewaltsame Befreiung der Folter-, Vergewaltigungs- und Hinrichtungslager nicht richtig gewesen?
Gewaltverzicht resultiert keineswegs immer aus hehrer, nobler Gesinnung. Er kann auch Ausdruck von Feigheit, Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit sein.
Im Zusammenhang mit der Tierrechtsbewegung wird die Gewaltfrage oft besonders verzerrt dargestellt und wahrgenommen. Es wird so getan, als hätten wir eine friedliche Situation, in der es darum ginge, ob und wann dieser Friede von bösen Tierrechtlern gestört würde.
Die Wirklichkeit sieht freilich völlig anders aus: Während in der Tierrechtsbewegung zuweilen über Gewalt diskutiert wird, ist sie auf seiten der Tierausbeuter längst tägliche Realität. Denn was auf der Jagd, bei Tierversuchen und in Schlachthöfen ununterbrochen und mitten unter uns passiert, ist Gewalt – Gewalt in ihrer gemeinsten und schrecklichsten Form!