Billige „Tabubrüche“ auf Kosten der Schwächsten
Helmut F. Kaplan
Da mir Georg Kreislers Lied „Gehen wir Tauben vergiften im Park“ innerhalb weniger Tage mehrfach in den Medien begegnete, will ich dazu auch etwas sagen. Daß man vor Jahrzehnten, quasi in der Altsteinzeit des Tierrechtsbewußtseins, so etwas schreiben und witzig finden konnte, ist ja noch einigermaßen nachvollziehbar. Daß die Menschen das auch heute noch lustig finden, ist schon wesentlich bedenklicher.
Aber leider ist solch tierfeindlicher Humor ja alles andere als eine Seltenheit. Man braucht sich nur eine beliebige Comedy- oder Kabarettsendung anzusehen – und muß garantiert nicht lange warten, bis ein geschmackloser Scherz auf Kosten von Tieren kommt.
Und je „fortschrittlicher“ der Künstler, desto widerlicher die Pointe. Das kommt daher, daß diese „Witze“ über das Quälen und Umbringen von Tieren ja keineswegs nur als lustig empfunden werden sollen, sondern vor allem eine besonders progressive Haltung signalisieren sollen – nach dem Motto: Je größer der „Tabubruch“, desto „mutiger“ die Aussage.
Nun könnte man natürlich einwenden: Mein Gott, die Tierrechtler sollten sich doch um Himmels willen nicht gar so anstellen, nicht so „schmallippig“, kleinlich und spießig sein. Schließlich gehe es hier um Humor. Und außerdem – Achtung, jetzt wird’s ernst: Hier steht letztlich auch die Freiheit von Kunst und Meinungsäußerung auf dem Spiel!
Was von solchen Einwänden zu halten ist, sollte klar werden, wenn wir an „schwarzen“ oder „subversiven“ Humor der folgenden Art denken: „Gehen wir Kinder vergiften im Park“. Oder: „Gehen wir Türken vergiften im Park.“ Da würde niemand mehr die Schwärze des Humors loben oder die Freiheit von Kunst und Meinungsäußerung ins Treffen führen! Dies würde – zu Recht – als nicht hinnehmbares, gefährliches Spiel mit latenten kinder- bzw. fremdenfeindlichen Tendenzen betrachtet werden.
Und wer sich über das Vergiften von Tieren lustig macht, spielt mit dem Leben von Tieren – weil er ein Klima schafft oder begünstigt, in dem das Quälen und Umbringen von Tieren als lustig oder harmlos, auf alle Fälle aber als moralisch unbedenklich betrachtet wird.
Die „progressiven“ Künstler, die von den billigen Lachern feiger und sadistischer Mitklatscher leben, sollten vom Feuilleton nicht länger hofiert, sondern endlich kritisiert werden – als Ewiggestrige, die noch immer nicht kapiert haben, daß der realen Vernichtung stets die verbale Abwertung, Verharmlosung und Verhöhnung vorausgehen.