Lebenskultur: Leichenfreund Siebeck
Helmut F. Kaplan
Das ZEIT MAGAZIN widmete Wolfram Siebeck zum achtzigsten Geburtstag ein ganzes Heft (39, 2008): „Seit viezig Jahren kämpft er … für das gute Essen …. Keiner hat die Lebenskultur des Landes mehr verändert als er.“
Laut Berechnungen verzehrt ein Fleischesser im Laufe seines Lebens durchschnittlich 6 Schafe, 8 Kühe, 25 Kaninchen, 33 Schweine, 390 Fische und 720 Hühner. Berücksichtigt man, daß Siebeck seit Jahrzehnten praktisch nichts anderes mehr tut, als Leichen in sich hineinzustopfen, beginnt man zu erahnen, wievielen Tieren seine Lebenskultur bereits den Tod gebracht hat. Und bedenkt man weiters, wieviele Menschen er durch sein grausiges Vorbild dazu ermuntert hat, es ihm gleichzutun, kann einem ob der Zahl seiner Opfer schwindelig werden.
Wie meist bei problematischen Lebensläufen kündigte sich auch bei Siebeck die verhängnisvolle Zukunft bereits früh an. Über seine Jugend berichtet er: „Jedes Mal wenn ein Huhn geschlachtet wurde, war ich dabei. Das war faszinierend …, wenn das Huhn so blutverspritzt und kopflos und flügelschlagend durch den Garten lief.“
Siebecks Frau, Barbara, die ihn seit fast vierzig Jahren auf seinen Freßtouren begleitete, träumt vom Fliegen (Rubrik „Ich habe einen Traum“): „Frei und auf meinen eigenen Schwingen segle ich über Wälder und Täler und kann alles von oben anschauen, Orte, die ich im Leben nicht mehr sehen werde, weil es dort keine interessanten Restaurants gibt.“ „Free as a Bird“ von den Beatles wünscht sie sich zu ihrer Beerdigung. Ob sie je darüber nachgedacht hat, wieviele Vögel nicht mehr fliegen können, weil sie sie aufgegessen hat? Wohl nicht; wer vom Essen besessen ist, kann in Tieren nur künftige Leichen erkennen.