Tierrechte und Fakten

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Tierrechte und Fakten

Helmut F. Kaplan

Editorische Vorbemerkung: Im folgenden ein äußerst irritierender alter Text – geschrieben vielleicht vor einem Vierteljahrhundert: Die Aussagen über den gesellschaftlichen Status von Menschenrechten, Rassismus und Tierrechten stimmen überhaupt nicht mehr. Die faktischen und philosophischen Aussagen sind hingegen nach wie vor gültig. Was lernen wir daraus? Auf alle Fälle: daß sich selbst grundlegende politische Haltungen rasch ändern können. Die Hoffnung: daß sich langfristig doch die Fakten dergestalt durchsetzen, daß sich keine widersprechenden Haltungen dauerhaft durchsetzen können. Helmut F. Kaplan, Jänner 2018

Moralische Selbstverständlichkeiten spielen in unserem Denken eine entscheidende Rolle. Wenn zum Beispiel eine ethische Theorie zu Konsequenzen führt, die einer moralischen Selbstverständlichkeit widersprechen, so werden wir diese ethische Theorie automatisch ablehnen. Wenn etwa ein moralisches Konzept unter anderem erlauben würde, kleine Kinder umzubringen, dann hätte dieses Konzept keine Chance, allgemein akzeptiert zu werden.

Andererseits sind aber solche moralischen Selbstverständlichkeiten keineswegs absolut starre Gebilde. Vielmehr unterliegen sie im Laufe der Zeit grundlegenden Wandlungen. So konnte man sich zum Beispiel noch vor einigen Jahrzehnten offen und öffentlich zu rassistischem Gedankengut bekennen, ohne deshalb gesellschaftlich geächtet zu werden. Dies ist heute – und man muß hinzufügen: hoffentlich auch in Zukunft – anders: Die Unteilbarkeit und Allgemeingültigkeit der Menschenrechte sind eine moralische Selbstverständlichkeit.

Gegenwärtig erleben wir einen Wandel in bezug auf eine andere moralische Selbstverständlichkeit. Wir beginnen zu erkennen, daß nicht nur Menschen, sondern auch Tiere Rechte haben. Zwar kann heute noch niemand sagen, wann dieser Prozeß abgeschlossen sein wird, aber der Durchbruch dieser Idee wird letztlich durch nichts aufgehalten werden können. Zumal es sich hier keineswegs um eine modische Strömung, sondern vielmehr um eine längst überfällige Erkenntnis handelt:

Seit Darwin wissen wir, daß sich Tiere biologisch nicht prinzipiell vom Menschen unterscheiden. Aber erst 1970 zog Richard Ryder die sich daraus ergebende moralische Schlußfolgerung: Wenn sich Tiere biologisch nur graduell von uns unterscheiden, dann gibt es für die vollkommen andere moralische Bewertung von Tieren keine vernünftige Begründung. Zur Veranschaulichung dieser Einsicht führt Ryder unter anderem zwei Überlegungen an: Leiden ist ohne Zweifel ein moralisch relevantes Kriterium. Wenn Leiden aber, wie wir wissen, eine Funktion des Nervensystems ist, dann macht es angesichts des nur graduellen biologischen Unterschieds zwischen Mensch und Tier keinen Sinn zu behaupten, daß Menschen und Tiere nicht in ähnlicher Weise leiden.

In absehbarer Zeit könnte es durchaus möglich sein, Menschen und Tiere zu kreuzen. So könnte sich zum Beispiel ein Biologieprofessor mit einem weiblichen Gorilla paaren. Wohin sollte dann das Kind dieses Paares kommen: hinter Gitter oder ins Gitterbett?