Wilde im Wohnzimmer

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Wilde im Wohnzimmer

Helmut F. Kaplan

Immer wieder hört man von „Naturvölkern“, die um den Erhalt ihrer „traditionellen“ Jagdmöglichkeiten und -methoden kämpfen. Was zunächst nur als ärgerlicher Anachronismus erscheint, enthält in Wirklichkeit ein ernstes Problem: Über viele Jahrtausende war die Nutzung von Tieren für den Menschen tatsächlich „natürlich“ und notwendig – weil der Mensch noch Teil der Natur war, ihrem grausamen Gesetz des Fressens und Gefressenwerdens unterworfen.

Inzwischen hat sich dies freilich gründlich geändert: Längst steht der Mensch der Natur gegenüber, lebt „unnatürlich“ in Siedlungen und Städten und hat sich seine eigenen Gesetze geschaffen. Aber, und das ist der springende Punkt: Im kollektiven Bewußtsein spielt die einstige Konstellation – Stichwort: „Recht des Stärkeren“ – noch immer eine wichtige Rolle. Dies ist freilich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß der Hinweis auf den „natürlichen Lauf der Welt“ eine willkommene Entschuldigung für Barbareien aller Art liefert.

Dennoch: Dieser Punkt muß ernstgenommen und thematisiert werden, um den mehr oder weniger bewußten Ausflüchten, mit denen unser skandalöser Umgang mit Tieren gerechtfertigt wird, den Boden zu entziehen. Die zwei wesentlichen „Eckdaten“ der historischen Entwicklung, um die es hier geht, stehen jedenfalls fest: Es gab eine Zeit, in der wir auf die Nutzung von Tieren angewiesen waren. Und heute ist dies nicht mehr der Fall.

Nun könnte natürlich eingewendet werden, daß gerade die Kultivierung und Zivilisierung des Menschen, das Leben in Städten usw. eine Fehlentwicklung sei, die rückgängig gemacht werden sollte. Wer wirklich dieser Meinung ist, soll „zurück in den Wald“ gehen und dort seine Nahrung eigenhändig erlegen. Danach könnnen wir über die moralische Wertigkeit seines Tuns weiterreden.

Eines geht aber gewiß nicht: Sich in der warmen Stube sitzend, auf das unerbittliche „Gesetz des Fressens und Gefressenwerdens“ zu berufen, während in der High-Tech-Küche ein Gerätepark bereitsteht, um Leichenteile aus aller Welt monatelang frisch zu halten und auf Knopfdruck zuzubereiten.

Wer meine Tierrechtsarbeit unterstützen will: https://www.paypal.me/helmutkaplan

Zur Person: https://tierrechte-kaplan.de/biografie/